zur Zukunft des Sozialen Wohnungsbaus
Bei unserer Konferenz „Nichts läuft hier richtig“ gelang es uns, das komplexe Thema des Sozialen Wohnungsbaus in Berlin auf vier Aspekte zuzuspitzen. Daraus ergeben sich folgende Problemanalysen und Lösungsmöglichkeiten:

Kostenmiete:

Die planmäßigen Mietsteigerungen im Rahmen des Auslaufens der Förderprogramme übersteigen für viele Mieter/innen die Grenze einer zumutbaren Mietbelastung, insbesondere für die sozialen Gruppen, deren Versorgung mit bezahlbarem Wohnraum die Aufgabe des Sozialen Wohnungsbaus vor allem war und ist. In Anbetracht der flächendeckenden Problematik sind die nur auf einzelne Bereiche und wenige Jahre beschränkten Konzepte nicht geeignet, um das Problem zu lösen. Stattdessen wurden die Reduzierung und Streckung der Rückzahlraten der Aufwendungsdarlehen insgesamt als eine Möglichkeit vorgeschlagen, die Steigerungen der Kostenmieten deutlich zu reduzieren.

Kosten der Unterkunft:

Die Fördersystematik des Sozialen Wohnungsbaus in Berlin führt zu der absurden Situation, dass Sozialmieten in den geförderten Beständen teilweise über den Bemessungsgrenzen der Job-Center liegen und Mieter/innen mit geringen Einkommen zur Senkung der Mietkosten und in der Konsequenz zum Wohnungswechsel aufgefordert werden. Als Lösungsmöglichkeiten wurden u.a. eine Neuregelung der Kosten der Unterkunft mit Orientierung an den realen Mieten, eine Obergrenze der Mieten im Sozialen Wohnungsbau sowie ein Moratorium für die Kostensenkungs-Aufforderungen an Mieter/innen im Sozialen Wohnungsbau vorgeschlagen.

Anschlussförderung/Wohnraumgesetz Berlin:

Die Mieter/innen in den ca. 28.000 vom Wegfall der Anschlussförderung betroffenen Sozialwohnungen sehen sich mit exorbitanten Mietsteigerungen und einer faktischen Aushebelung des Mieterschutzes konfrontiert. Durch rückwirkende Mieterhöhungen bzw. Mietnachforderungen in fünfstelliger Höhe kann praktisch jede Mieterin bzw. jeder Mieter jederzeit zur Aufgabe der Wohnung gezwungen werden. Mit dem 2011 verabschiedeten Wohnraumgesetz Berlin ist die teilweise Abschaffung der bestehenden Sozialwohnungen verbunden. Mit dem Landesgesetz wird also nicht das Problem des unzureichend vorhandenen preisgünstigen Wohnraums gelöst. Ganz im Gegenteil: Im Falle eines Eigentümer- bzw. Gesellschafterwechsels von Sozialwohnungen ohne Anschlussförderung gehen die mit immensen Steuermitteln erkauften, für weitere Jahrzehnte fortdauernden Belegungsrechte des Landes unwiderruflich verloren, ohne dass hierfür eine Gegenleistung zu erbringen ist. Die Lösung des Problems der unbezahlbaren Mieten im Sozialen Wohnungsbau wird hier - wie auch bei allen anderen bestehenden Sozialwohnungen - in einer Reparatur des „Berliner Systems“ der Kostenmiete gesehen. Durch eine umfassende rechtliche Neuausrichtung sollen die Berechnungsgrundlagen der Kostenmieten verändert und die Kostenmieten um künstlich aufgeblähte sowie um fiktive Kostenansätze bereinigt werden. Alternativ kann die Einführung einer sozialen Richtsatzmiete in Betracht gezogen werden. Eine gesetzliche Absenkung der Kostenmieten und der langfristige Erhalt von preisgünstigen Sozialwohnungen dienen auch der gebotenen Schonung des Landeshaushalts.

Re-Kommunalisierung:

Obwohl bei Gas, Wasser und Strom die Re-Kommunalisierung inzwischen in aller Munde ist und auch viele Kommunen diese umsetzen, wird die Forderung nach einer Re-Kommunalisierung beim Sozialen Wohnungsbau noch kaum gestellt. Selbst bei der Deutschen Bahn befürwortet eine deutliche Mehrheit der Bevölkerung, dass diese sich in der öffentlichen Hand befindet. Dabei gehört Wohnen genauso wie Verkehr und Gas, Wasser, Strom zur grundlegenden Daseinsvorsorge. Angesichts der gesamtstädtischen Wohnungsmarktsituation, den eingeschränkten Aussichten auf einen geförderten Neubau und dessen unklare Auswirkungen auf die Bestandsmieter/innen wird eine nachhaltige und dauerhafte Sicherung der sozialen Eigenschaft der geförderten Bestände gefordert. Für die Überführung geförderter Wohnungen in eine kommunale Trägerschaft und die Stärkung von Mieterselbstverwaltungsinstrumenten wird die Einrichtung eines Kommunalen Sondervermögens gefordert. Diese für Berlin neuen Wege des Sozialen Wohnungsbaus sollten in Pilotprojekten erkundet werden.

Die aktuellen Diskussionen und auch unserer Konferenz haben gezeigt: Der Soziale Wohnungsbau stellt für viele Mieter/innen vor allem ein Problem dar. Zugleich können die immer noch fast 150.000 Wohnungen, die offiziell die Eigenschaft „öffentlich gefördert“ haben, als Ressource für eine soziale Wohnungsversorgung gesehen werden, die es zu aktivieren gilt. Unsere Forderungen beschränken sich nicht auf eine Erste Hilfe in Form von Härtefallregelungen, Mietenkonzepten und Übergangsregeln, sondern orientieren sich an einer langfristigen Lösung für den Bestand der geförderten Wohnungen, denn hier (und nicht für Neuberliner/innen) droht die soziale Katastrophe der Verdrängung: Sozialer Wohnungsbau muss auch und gerade im Bestand dauerhaft bezahlbar bleiben!

Unsere Diskussionen mit Fachpolitiker/innen, Verwaltungsmitarbeiter/innen und Expert/innen aus Wissenschaft und Praxis haben auch gezeigt: Die Materie Sozialer Wohnungsbau ist hoch komplex. Eine Lösung der aktuellen und künftigen Probleme des Sozialen Wohnungsbaus in Berlin kann nur in einer fachübergreifenden Diskussion gefunden werden. Bei unserer Konferenz sind juristische, haushaltspolitische, soziale und wohnungspolitische Perspektiven zusammen gekommen. Dies ist auch weiterhin notwendig, um sinnvolle Strategien für die Weiterentwicklung des Sozialen Wohnungsbaus zu finden. Prozesse der politischen Entscheidungsfindung sollten sich an den Ansätzen der Konferenz „Nichts läuft hier richtig“ orientieren und beginnen, die dort entwickelten Vorschläge umzusetzen.

Die Zukunft des Sozialen Wohnungsbaus in Berlin ist zu wichtig, um sie der Arbeit von unverbundenen Fachausschüssen und externen Gutachter/innen zu überlassen. Nur eine überparteiliche Diskussion zur Zukunft des Sozialen Wohnungsbaus wird den Herausforderungen des gesetzlichen Auftrags zu einer sozialen Wohnungsversorgung für alle gerecht. Denn im Artikel 28 der Berliner Verfassung heißt es: „Jeder Mensch hat das Recht auf angemessenen Wohnraum. Das Land fördert die Schaffung und Erhaltung von angemessenem Wohnraum, insbesondere für Menschen mit geringem Einkommen.“ Dies ist der Dienstauftrag für alle Mitarbeiter/innen der Berliner Verwaltung und aller gewählten Abgeordneten. Im Deutsch der Job-Center nennt sich so etwas „Zielvereinbarung“.

Wir rufen alle Fraktionen des Abgeordnetenhauses dazu auf, diese Diskussion zur Zukunft des Sozialen Wohnungsbaus durch ihre Unterstützung und aktive Mitarbeit zu ermöglichen - und gemeinsam mit uns Mieter/innen - Perspektiven für eine umfassende soziale Wohnungsversorgung in Berlin zu entwickeln. Im Umfeld des Abgeordnetenhauses stehen genügend Werkzeuge zur Verfügung, diese Diskussionen zeitnah und mit der notwendigen Vertiefung zu organisieren, so dass umsetzbare Schritte folgen können.

Bis dahin heißt es aber weiterhin: "Nichts läuft hier richtig!"