Jan Kuhnert, KUB Kommunal- und Unternehmensberatung GmbH
gemeinwohlorientiert und nachhaltig
Berlin braucht einen gemeinwohlorientierten Wohnungssektor: Für eine „Wohnungsgemeinnützigkeit“ nach aktuellen Bedingungen
Nach dem Wiederaufbau ging es in den 1960er und 1970er Jahren um die Schaffung preiswerter
Wohnungen, „die nach Größe, Ausstattung und Miete (Lasten) für die breiten Schichten des Volkes
bestimmt und geeignet sind (sozialer Wohnungsbau)“ (§ 1 vom II. Wohnungsbaugesetz – WoBauG
von 1956 bis 2001). Hinter der zeitlichen Beschränkung der öffentlichen Förderung stand die Vorstellung,
dass im Zuge des sogenannten ‚wirtschaftlichen Wachstums‘ alle Einkommen immer
steigen würden und auch die Arbeitslosigkeit bald überwunden sei und daher dann alle Menschen
auch ‚normale‘ Mieten zahlen könnten. Daher wurden schließlich Fördersysteme entwickelt, die
politisch gewollt von vornherein durch Abbau der Subvention ständige Mietsteigerungen vorsahen
(sog. degressive Förderung). Dass dann am Ende eine unbezahlbare Miete stehen würde, wenn
die Einkommen nicht auch so schnell steigen würden, war nicht berücksichtigt worden.

Nach Auslaufen der Bindungen von Sozialwohnungen durch planmäßige Rückzahlung in ca. 35 Jahren können die Wohnungen frei vermietet und verwertet werden. Bis Ende der 80er Jahre wurde darauf hingewiesen, dass von dem Auslaufen der Mietpreis- und Belegungsbindungen nur die privaten Bauherren, z.B. neben vermögenden Privatpersonen auch Versicherungen und andere Träger, profitieren würden, denn die großen Wohnungsbestände der (damaligen) gemeinnützigen Wohnungsgesellschaften und -genossenschaften stünden ja auch nach Auslaufen der Bindungen wegen des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes (WGG) als preiswerter Bestand zur Verfügung. Das ist 1989 jedoch abgeschafft worden. Die noch bestehenden Sozialwohnungen in Berlin sind durch den Abbau der öffentlichen Förderung inzwischen so teuer geworden, dass sie für die ursprüngliche Zielgruppe unbezahlbar geworden sind. Wäre das WGG 1989 nicht aufgehoben worden, hätten die zentralen Eckpunkte dieses Gesetzes einige aktuelle Probleme auf dem Berliner Wohnungsmarkt verhindert:
- Im sog. Kostenmietrecht war nur eine Miete zulässig, die „den Betrag nicht überschreitet, der zur Deckung der laufenden Aufwendungen nach den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Geschäftsführung im Jahr der Bezugsfertigkeit erforderlich ist.“ Auch künftige Mieterhöhungen waren nach diesem Prinzip klar geregelt: „Ändern sich die laufenden Aufwendungen, so ändert sich der angemessene Mietpreis entsprechend.“ (beides in § 13 Abs. 1 WGG-DV). Eine Orientierung an „Marktmiete“ oder „Vergleichsmiete“ war auch dann nicht vorgesehen, wenn die Preisbindung der öffentlichen Förderung durch Darlehensrückzahlung nicht mehr galt.
- Die Eigentümer von Wohnungsunternehmen konnten nur 4 % maximal Gewinnausschüttung erhalten, alle anderen Erträge mussten wieder reinvestiert werden (Instandhaltung oder z.B. Modernisierung ohne Mieterhöhung).
- Wird ein Wohnungsunternehmen verkauft, darf der Eigentümer nur die eingezahlten Einlagen (Eigenkapital) zurückerhalten, Verkaufsüberschüsse wären anderen gemeinnützigen Wohnungsunternehmen zu übertragen. Dieser Vermögensschutz hätte faktisch alle großen Wohnungsverkäufe der vergangenen Jahre verhindert!
Im Gegenzug zu diesen und anderen rechtlichen Bindungen wurden die gemeinnützigen Wohnungsgesellschaften und Wohnungsgenossenschaften, vergleichbar den gemeinnützigen Vereinen, weitgehend von Steuern befreit. Heute schauen viele neugierig auf österreichische Städte wie Salzburg oder Wien, wo ein großer sehr preiswerter gemeinwohlorientierter Wohnungsbestand der Kommunen unter dem dort immer noch geltenden Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz sogar energetisch mit nur minimalen Mietsteigerungen modernisiert wird. Ein neues Bundesgesetz zur steuerlichen Förderung von Wohnungsunternehmen ist dringend notwendig, um endlich einem gemeinwohlorientierten Wohnungssektor zu schaffen, der sich vor allem auf kommunale und andere gemeinwohlorientierte Wohnungsunternehmen stützt. Die Steuerbefreiung sollte für Wohnungsunternehmen gelten, wenn
- sie ihren gesamten Bestand als Belegrecht der Kommune zur Verfügung stellen,
- der verbliebene öffentlichen Bestand von Städten, Kreisen und Ländern als öffentliches Vermögen per Gesetz dem neuen Gemeinnützigkeitsrecht unterstellt und zu einem stiftungsähnlichen unveräußerlichen Vermögen umgewandelt wird, das durch entsprechende soziale Bindungen dauerhaft der Wohnraumversorgung von am Wohnungsmarkt besonders benachteiligten Haushalten dienen muss.
- die Miete sich an den tatsächlichen Kosten (einschließlich einer Instandhaltungsrücklage) orientiert, Gewinnausschüttungen auf 4% auf das Eigenkapital begrenzt, die Instandhaltungsverpflichtung erfüllt und den Mieterinnen und Mietern gegenüber nachgewiesen wird
- Zur Sicherung der gewachsenen Nachbarschaft kann auch eine einkommensabhängige Miete eingeführt werden, deren Summe in der Wohnanlage sich ebenfalls an den Kosten orientiert
- Eine wesentliche Bedingung für die wirtschaftliche Stabilität und die sozialen Orientierung dieser steuerbefreiten Unternehmen ist die Einführung der Mietermitbestimmung. Es werden Mieterorgane durch Wahl von den Siedlungen über die Stadtteile bis zur Unternehmensebene gebildet, die Investitionsentscheidungen (Neubau, Modernisierung, große Instandhaltungsprogramme) der Geschäftsführungen mitzuentscheiden haben. Auskunfts- und Kontrollrechte sowie eine Vertretung im Aufsichtsrat sichern die Interessen der MieterInnen in diesen gemeinnützigen oder gemeinwohlorientierten Wohnungsgesellschaften.
- Die Steuerbefreiungen (Körperschaft- und Gewerbesteuer, Grundsteuer und Grundwerbsteuer u.ä.) sollen dazu führen, dass Erträge für künftige Instandhaltungen zurückgelegt werden können und dass die durch Wegfall von Steuern höheren Erträge für den Ankauf preiswerter Mietwohnungen aus Privatbesitz eingesetzt werden können.
Es soll ein öffentliches Vermögen entstehen, das der politischen Kontrolle durch die gewählten Körperschaften unterliegt, so dass der Versorgungsauftrag kontrolliert wird. Durch Kontroll- und Mitentscheidungsrechte der MieterInnen soll der Verkauf öffentlichen Wohnungsvermögens (sog. Privatisierung) verhindert werden und sich künftige Modernisierungen an den Ansprüchen und der Zahlungskraft der MieterInnen orientieren.