Jan Kuhnert, KUB Kommunal- und Unternehmensberatung GmbH
Neue Bewirtschaftungsmodelle
Für eine langfristige Sicherung preiswerten Wohnraums wäre es notwendig und auch wirtschaftlich sinnvoll, möglichst viele Bestandswohnungen auf dem Berliner Wohnungsmarkt durch das Land Berlin aufkaufen zu lassen.
Um dauerhaft tragbare Mieten zu sichern, reicht ein „Ankauf“ nicht aus, sondern durch Aufbau von neuen Trägerstrukturen nach dem Erwerb durch Landeswohnungsunternehmen, sowie einem aktiven Mieterengagement und die Einführung einer Mietermitbestimmung sollen alle Chancen für eine sparsamere Bewirtschaftung genutzt werden.

Die Erfahrungen in vielen Städten zeigen, dass die von privaten Eigentümern errichteten oder inzwischen aufgekauften früheren Sozialwohnungen nicht mehr für eine Vermietung an „breite Schichten der Bevölkerung“ (II. Wohnungsbaugesetz) zur Verfügung steht. Obwohl die früheren Sozialwohnungen vom Staat beim Bau teuer subventioniert wurden, wollen die privaten Investoren jetzt möglichst hohe Mieten – oft ohne die notwendigen Instandhaltungsarbeiten aus der laufenden Miete zu bezahlen. Viele Haushalte, die wegen der damals günstigen Mieten in die Sozialwohnungen gezogen sind, können sich heute die Wohnung nicht mehr leisten oder mussten deshalb schon ausziehen.

In Berlin wird die Zahl preiswerter Wohnungen immer weniger, es gibt also kaum eine Möglichkeit durch Umzug die Mietkosten in Grenzen zu halten. Auch Haushalte, die staatliche Unterstützungsleistungen für die Miete (Kosten der Unterkunft, Wohngeld, Grundsicherung etc.) erhalten, sind von diesem Mieterhöhungen betroffen; Bewohner die die Miete noch selbst finanzieren können, müssen nach der nächsten Erhöhung dann auch einen Antrag auf Unterstützung bei den Wohnkosten stellen. Auch Neubauwohnungen, die einen guten Beitrag zur Entlastung auf dem Wohnungsmarkt leisten können, werden nicht so günstig sein, dass sie für diese Haushalte eine echte Hilfe sind. (siehe Beitrag Sigmar Gude).

Ein Ende der Mietsteigerungen ist in Berlin nicht in Sicht, also ist auch mit immer weiter steigenden Belastungen des Haushalts des Landes Berlin durch Kosten der Unterkunft etc. zu rechnen. Bei diesen teuren Aussichten ist es notwendig einen anderen Weg einzuschlagen und eine wirtschaftlich sinnvollere Perspektive zu eröffnen: Das Land Berlin versucht, möglichst viele der derzeit noch gebundenen 162.000 Sozialwohnungen (Stand 2012) durch die Wohnungsunternehmen des Landes Berlin aufzukaufen; dies ist auch bei (noch) preiswerten Wohnungen sinnvoll, deren Bindung vielleicht bereits ausgelaufen ist. Der Rückkauf reicht aber noch nicht für die langfristige Sicherung der preiswerten Wohnungen. Die Erfahrungen der vergangenen Jahre haben ja gezeigt, dass das Wohnen bei einer Berliner Landesgesellschaft für die MieterInnen ein Risiko darstellt. Die größte Wohnungsbaugesellschaft des Landes Berlin mit rund 60.000 Wohnungen – die GSW – wurde 2004 an internationale Finanzinvestoren verkauft und inzwischen an die Börse gebracht – und die Mieten steigen immer weiter. Inzwischen wurde sie von der Tochtergesellschaft der „Deutschen Bank“, dem Immobilienunternehmen „Deutsche Wohnen“ übernommen. In den noch bestehenden Wohnungsunternehmen des Landes stehen nicht die Mieterinteressen im Mittelpunkt, sondern sie mussten in den vergangenen Jahren hohe Gewinnausschüttungen an das Land leisten.

Ziel aktueller Diskussionen zwischen Berliner Mieterinitiativen rund um Kotti & Co und engagierten Fachleuten ist deshalb die Suche nach Modellen, wie möglichst viele preiswerte Wohnungen unter öffentliche Kontrolle des Stadtstaats Berlin kommen können (sogenannte Rekommunalisierung) und wie hier neue Wege der Bewirtschaftung gegangen werden können, um künftige Mietsteigerungen den Mieterinnen und Mieter zu begrenzen und vielleicht auch eine Senkung der jetzt schon hohen Mieten zu erreichen.

Aus den Anregungen während der Konferenz zum Sozialen Wohnungsbau „Nichts läuft hier richtig“ am 13. November 2012 im Berliner Abgeordnetenhaus ergaben sich erste Gespräche zwischen Fachleuten, Mieterinitiativen und der Senatsverwaltung, welche Konzepte denn geeignet wären, preiswerten Wohnungsbestand zu erhalten und wie hier stärkeres Mieterengagement einbezogen werden könnte. Für eine solche komplexe Konzeptentwicklung ist bisher von der Senatsverwaltung eine Finanzierung abgelehnt worden. Angesichts der weitgehenden Konzentration der Haushaltmittel des Landes auf die Subventionierung von Neubau steht auch noch kein Geld für die Mitfinanzierung von Bestandsankäufen durch Modellvorhaben zur Verfügung.

Es geht aber nicht nur um den Kauf von preiswerten Wohnungen durch das Land, die dann „wie immer“ verwaltet werden, sondern es geht um die Schaffung eines neuen gemeinwohlorientierten Sektors der Wohnraumversorgung in Berlin! Durch eine neu einzuführende Mietermitbestimmung, zumindest bei den angekauften Wohnungen ggf. durch Gründung einer Tochtergesellschaft des jeweils kaufenden Landeswohnungsunternehmens, soll endlich gesichert werden, dass

Stufe Gegenstand Kosten
1 Organisation der Nachbarschaft, Bündelung der Interessenvertretung (z.B. durch Haussprecher, Gebietsvertreter etc.) und Wahl von Mitbestimmungsgremien
Aufwandsentschädigung
2 Darüber hinaus: Organisation von Nachbarschaftsfesten, Betreuung von Gemeinschaftseinrichtungen etc.
Betreuungshonorare
3 Darüber hinaus: Übernahme von Teilleistungen der Verwaltung, etwa Reinigung, Grünpflege, Betrieb der Gemeinschaftseinrichtungen
Überlassung der entsprechenden Anteile an den Mieten
4 Darüber hinaus: Entwicklung von Instandhaltungs- und Modernisierungsprogrammen, Begleitung der konkreten Umsetzung (als "Vertreter des Bauherren")
Honorierung im Rahmen der internen Kostenverrechnung
5 Darüber hinaus: Übernahme weiterer Teilleistungen der Hausverwaltung, z.B. Mitwirkung bei Inkasso (inkl. Schuldnerberatung), Aufbau von nachbarschaftlichen Betreuungsstrukturen (für ältere Bewohner)
Jährliche Kostenermittlung (mit Personalgestellung)
... Bis zu:Übernahme der gesamten Hausverwaltung im Rahmen eines Geschäftsbesorgungsvertrags (einschließlich Übernahme des Vermietungsrisikos)
Manches von einem solchen neuen Konzept für die Sicherung preiswerter Mietwohnungen in Berlin muss erst noch entwickelt werden, manches ist aber schon an anderen Orten erfolgreich umgesetzt worden. Viele Wohnungsgenossenschaften in Berlin, gerade die in den letzten 20 Jahren gegründeten, zeigen erfolgreich, dass Mieterengagement erhebliche Kosten einsparen kann. Und das kommunale Wohnungsunternehmen der Stadt Gießen, die Wohnbau Gießen, hat seit 1992 eine Mietermitbestimmung, bei der ein „Unternehmensmieterrat … ein Recht auf Mitbestimmung bei Entscheidungen der Geschäftsführung“ (Gesellschaftsvertrag § 23 Abs. 1) hat, die das Neubau-, das Modernisierungs- und das Instandhaltungsprogramm betreffen. Also müssen geplante Maßnahmen erst mit den Mieterinnen und Mietern abgestimmt werden, bevor sie in Auftrag gegeben werden.

Weil damit über das Investitionsniveau der Modernisierung mitbestimmt wird, ist auch endlich ein Einfluss auf entsprechende Mieterhöhungen gesichert und unnötige kostentreibende Modernisierungen und Gerichtsverfahren werden vermieden. Wenn ausreichende Informationen seitens der Geschäftsführung (bis hin zum Akteneinsichtsrecht) und unabhängige fachliche Schulung für MietervertreterInnen zur Verfügung stehen, dann sind doch viele Entscheidungen unstrittig: in Gießen wurden bisher keine technisch notwendigen Maßnahmen durch die Mitbestimmung blockiert, obwohl dies viele bei ihrer Einführung befürchtet haben.

Aber die Einführung einer Mietermitbestimmung ist nur der erste Schritt, um die Fähigkeiten und das Engagement der MieterInnen in die Wohnungsverwaltung einzubeziehen. Ein neuer gemeinwohlorientierter Wohnungssektor setzt auch auf die Mitwirkung der Mieterschaft, um alle Kräfte für auch künftig preiswertes Wohnen zu mobilisieren. Die Beteiligung der MieterInnen kann dabei über Jahre verteilt in mehreren Schritten eingeführt werden, immer wenn erfolgreich eine Stufe praktisch umgesetzt ist. Es ist aber auch möglich, in Wohnanlagen, in denen zum Beispiel durch langjähriges Engagement von Mieterinitiativen schon eine aktive Nachbarschaft entwickelt wurde, auch gleich ein weitergehendes Mitwirkungskonzept einzuführen.

Eine aktive Beteiligung der MieterInnen an der Verwaltung soll auch Kosten sparen und dadurch vielleicht eine Senkung der Miete bzw. der sogenannten Nebenkosten erreichen:

Als großer Schritt ist schließlich auch die Gründung von sogenannten Siedlungsgenossenschaften durch die Bewohnerinnen und Bewohner möglich, die über verbindliche Verträge weitere Aufgaben der Hausverwaltung übernimmt. Dies kann sogar bis zur vollständigen Übernahme der Bestandsverwaltung (sog. Geschäftsbesorgung) gehen, aber ein Verkauf von Häusern oder Wohnungen bleibt dauerhaft ausgeschlossen.

Es sind noch wichtige Punkte eines solchen Konzeptes für die Übernahme bisher privater Wohnungsbestände durch das Land Berlin unter gleichzeitiger Einführung von Mietermitbestimmung und die Übernahme von Teilaufgaben der Hausverwaltung durch die Mieterinnen und Mieter zu entwickeln. Voraussetzung bleibt aber, dass es dafür überhaupt eine politische Bereitschaft beim Senat gibt und auch Geld für Ankauf und Konzeptentwicklung bereitgestellt wird. Aber darüber diskutieren die Mieterinitiativen in Berlin mit Politik und Öffentlichkeit schon seit der Konferenz zum Sozialen Wohnungsbau im November 2012.